Andreas Gautschi: Ausloten, was mit dem Handbike möglich ist

Der Schweizer ist einer der Handbike-Pioniere in seinem Heimatland und Mitbegründer der Handbike Rennserie EHC

Wer sich für das Handbiken in der Schweiz interessiert, kommt an Andreas Gautschi kaum vorbei. Nach seinem Unfall mit dem Gleitschirm 1990 kommt er zum Handbiken. Er wird sechsfacher Schweizer Meister und befasst sich intensiv mit der Forschung und Entwicklung der Sportgeräte. Der 55-jährige bietet Handbike-Beratung und bloggt über seine Touren. Heute steht für den Projektleiter im Innovationszentrum für assistive Technologien (IAT) in Nottwil, das Fahren im Gelände im Vordergrund.
© Andreas Gautschi
Andreas Gautschi, Handbiker aus Berufung
Andreas Gautschi in Rigi-Staffel, ein Schweizer Ort in rund 1430 Metern Höhe über dem Meeresspiegel. Links der Blick auf Berge der Glarner-Alpen, rechts auf Bündner Berge.

MOBITIPP: Herr Gautschi, wie sind Sie zum Handbiken gekommen?

Andreas Gautschi: Schon vor meinem Gleitschirmunfall 1990 betrieb ich viel Sport. Nach der Rehabilitation habe ich vieles ausprobiert, wie das Skifahren, auch Wasserski und Rennrollstuhl. Als Rollstuhlbasketballer war ich Mitglied der Schweizer Nationalmannschaft. Bei Mannschaftssportarten muss man in der Lage sein, feste Termine für Trainings und Wettkämpfe wahrzunehmen. Das wurde bei mir aber aus beruflichen Gründen immer schwieriger.

Also suchte ich nach einer Sportart, bei der ich freier bin. Als Mitarbeiter eines US-amerikanischen Rollstuhl- und Sportgeräteherstellers bin ich schon früh auf das Shadow Cyclone gestoßen. Das war das erste Vorspann-Handbike im Markt. Ich habe es mir an einen alten umgebauten Basketballrollstuhl geschraubt.

MOBITIPP: Wie was das Fahrerlebnis?

Andreas Gautschi: Eine Strecke von 20 Kilometern stellte bereits eine Herausforderung dar. Das Cyclone war für heutige Verhältnisse bleischwer, ließ sich kaum in der Spur halten und das Wechseln der Gänge verlangte einiges an mechanischen und mathematischen Kenntnissen. Trotzdem hat mir das Shadow Cyclone eine neue Welt eröffnet. Ab Ende der 90er Jahre begann ich dann, Handbikes in die Schweiz zu importieren.

MOBITIPP:  Wie kam es dazu?

Andreas Gautschi: 1997 lernte ich den in Kanada lebenden Bulgaren Georgi Georgiev kennen. Er hatte für einen querschnittgelähmten Freund ein Handbike gebaut. Seine Varna-Handbikes waren damals die aus meiner Sicht ersten ernst zu nehmenden Handbikes. Und so wurde ich zum Händler. Ich habe sie in die Schweiz importiert. Auf mein Anraten machte dasselbe ein bekannter niederländischer Handbiker für sein Land.

Mit diesen Sportgeräten sind wir in einer kleinen Community in ganz Europa Rennen gefahren. Im Jahr 2000 hatten wir die Idee, eine Rennserie zu begründen. Wir wollten den besten Fahrern der Szene Gelegenheiten bieten, sich zu treffen. Daraus ist der European Handbike Circuit, kurz EHC, entstanden, den es bis heute gibt.

MOBITIPP: Sie selbst sind sechsmaliger Schweizer Meister geworden!

Andreas Gautschi: Ja, einige Jahre habe ich mit um den Titel gekämpft. Die Leistung der heute aktiven Rennhandbiker nötigt mir großen Respekt ab. Zuschauer können oft nicht ermessen, wie hart das Training ist und mit welchen Geschwindigkeiten sie unterwegs sind.

MOBITIPP: Wo liegt heute Ihr Schwerpunkt?

© Andreas Gautschi

Andreas Gautschi: Nach dem Rennsport habe ich mit dem Handbiken weitergemacht, aber mehrheitlich weg von der Straße. Ich wollte mich im Gelände, abseits vom Verkehr bewegen und konstruiere dafür bis heute eigens Handbike.

Heute steht für mich das Naturerlebnis im Vordergrund. Ich bin vorwiegend auf Wald-, Fuß- und Bergwegen unterwegs und erkunde auf Forst- und Passstraßen die Welt. Dabei lote ich persönliche und technische Grenzen aus und erobere Gelände, die ich mit einem Rollstuhl niemals erreichen könnte. Wenn ich dann zum Beispiel mit einem grandiosen Ausblick ins Land genießen kann, haben sich alle Mühen gelohnt.

Ich biete auch geführte Handbike-Trails an. Hier geht es nicht um Leistung, sondern vor allem um das Gemeinschaftserlebnis und ich zeige den Leuten, dass bereits vor der Haustür viel möglich ist und es sich lohnt die eigene Komfortzone zu verlassen.

MOBITIPP: Woher kommt Ihre Faszination für das Handbike?  

Andreas Gautschi: Da gab es ein einschneidendes Erlebnis. Ich hatte aus einem Liegefahrrad für Fußgänger eine Konstruktion zusammengebastelt, die ich in einem Wald ausprobierte. Damit bin ich spontan einen steilen Fußweg hochgefahren. Das klappte auch gut. Oben angekommen fuhr ich wagemutig in ein Schlammloch.

Auf einmal erfasste mich im tiefsten Innern die Erkenntnis, dass ich einen solch besonderen Ort mitten im Wald, niemals mit dem Rollstuhl hätte erleben können. Das war wie ein Blitz. Diese Erfahrung war extrem intensiv und lässt sich nicht in Worte fassen. Sie prägt mich bis heute.

MOBITIPP: Haben Sie auch beruflich mit dem Handbiken zu tun?

Andreas Gautschi: Meine Erfahrungen fließen direkt in meine berufliche Tätigkeit ein. Ich bin Projektleiter im Innovationszentrum für assistive Technologien (IAT) in Nottwil. Wir befassen uns, kurz gesagt, mit der Verbesserung von Hilfsmitteln und mit der Entwicklung neuer Produkte, die querschnittgelähmten Menschen helfen.

MOBITIPP: Sie bieten auch Handbikeberatung an. Um welche Themen geht es da?

Andreas Gautschi: Zum Beispiel wenden sich Handbiker an mich, die spezielle Anpassungen an ihrem Fahrzeug vornehmen wollen und Tipps für die Umsetzung suchen. Anfänger haben grundlegende Fragen. Andere besitzen schon ein Handbike und sind unsicher, welches Nachfolgemodell am besten zu ihren Vorstellungen passt. Profis wollen gern wissen, wie sie noch schneller und effizienter werden können. Händler fragen nach Tipps für optimale Anpassung eines Handbikes oder für den Aufbau ihres Sortiments. Handbikes haben sich vom Nischenprodukt zum coolen Sportgerät entwickelt. Das wirft neue Fragen auf.

MOBITIPP:  Wen sprechen Sie mit Ihrem Blog www.handbike-andi.ch an?

Andreas Gautschi: Ich teile mein Wissen über Touren mit allen, die sich dafür interessieren. Wer mag, kann die Strecken nachfahren. Man braucht nur ein Outdoor-Navigationsgerät, das mit .gpx-Dateien zurechtkommt und schon kann es losgehen. Über Feedbacks freue ich mich natürlich.

MOBITIPP: Verraten Sie uns Ihre schönste Strecke?

Andreas Gautschi: Da gibt es so viele! Mein Hausberg ist die Rigi, ein Zentralschweizer Voralpenberg von rund 1.800 Metern mit Ausblick bis weit in den Schwarzwald und ins Elsass. Die Rigi gilt als Königin der Berge. Fünf- oder sechsmal im Jahr erklimme ich die Rigi bestimmt.


Mehr über die Touren mit dem MTB-Handbike und dem Straßenhandbike von Andreas Gautschi erfahrt Ihr auf der Webseite www.handbike-andi.ch

Auf www.handbike-beratung.ch bietet Andreas Gautschi viele Fachinformationen über das Handbiken an.

(Text: Brigitte Muschiol)

Andreas Gautschi, Handbiker aus Berufung
© Andreas Gautschi
Andreas Gautschi in Rigi-Staffel, ein Schweizer Ort in rund 1430 Metern Höhe über dem Meeresspiegel. Links der Blick auf Berge der Glarner-Alpen, rechts auf Bündner Berge.