urch einen Unfall in Kindertagen kam Robert Figl bereits früh in den Rollstuhl. Er wurde zu seinem Begleiter schon in der Schulzeit und danach im Studium. Das war Anfang der 1980er Jahre, als noch niemand von Inklusion und Barrierefreiheit sprach und die Rollstühle nicht den technischen Stand von heute hatten. Hier waren Eigeninitiative und Hilfe von außen gefragt, und mit Unterstützung seiner Lehrer sowie Schul- und Studienkollegen funktionierte das auch. Für Robert Figl war es nie eine Frage, dass er eine Ausbildung machen und einen Beruf ergreifen würde. „Ein Beruf hilft immer bei der Integration und hebt das Selbstwertgefühl“, ist er überzeugt.
Tatsächlich stellen Menschen, die durch einen Unfall zu Rollstuhlfahrern werden, schon früh die Überlegung an, ob sie irgendwann wieder in der Lage sein werden zu arbeiten oder eine Ausbildung zu machen. Entsprechend den äußeren Bedingungen hängt daran für einige die bange Frage, wie es finanziell für sie weitergehen soll und ob sie womöglich völlig aus ihrem gewohnten professionellen Umfeld herausfallen. Betroffene, die durch einen Unfall während der Arbeit zu einer Mobilitätseinschränkung kommen, sind oft finanziell besser ausgestattet, als die, denen der Unfall in der Freizeit passiert und die dafür nicht speziell versichert sind. Auch wenn eine Krankheit für die körperlichen Einschränkungen verantwortlich ist, kann die finanzielle Situation heikel werden.
Arbeit als Therapie
Darüber hinaus hilft eine regelmäßige Tätigkeit vielen dabei, die neue Situation besser zu akzeptieren und das Erlebte zu verarbeiten. „Arbeit kann wie eine Therapie wirken, denn jeder entwickelt seine individuelle Verarbeitungstechnik für schwierige Situationen“, erklärt Robert Figl. Da er schon sehr lange mit seiner Behinderung lebt, war sie meist kein großes Thema für ihn. „Wir haben in der Familie darüber nie ein größeres Aufhebens gemacht. Ich bin ganz normal aufgewachsen.“ Das soll allerdings nicht heißen, dass er nie den Wunsch hätte zu laufen. „Ich realisiere meine Behinderung durchaus, aber bisher bin ich für meine Begriffe immer noch überall gut durchgekommen.“
Gut durchgekommen heißt, dass er die Schule absolvierte und danach an der Universität in Heidelberg beziehungsweise im Universitätsklinikum Mannheim Medizin studierte. Animiert wurde er dazu von seiner älteren Schwester, die vor ihm ebenfalls Medizin studiert hatte und Internistin wurde. Er machte das einzige Zugeständnis an seine Mobilitätseinschränkung, indem er sich auf die Dermatologie spezialisierte. Zwar hätte er schon gerne operiert, aber seinen Rollstuhl immer für den Operationssaal hochsteril zu machen, wäre wohl auf Dauer zu aufwändig geworden. Allerdings führt er in seiner Praxis kleinere Eingriffe durch.
Herausforderungen und Chancen
Die gute Nachricht ist also: Ein Rollstuhl hindert durchaus nicht daran, zu arbeiten. Dennoch gibt es einige Herausforderungen zu bestehen. Wer zuvor in einem Handwerksberuf gearbeitet hat, für den sind die Chancen, an den früheren Arbeitsplatz zurückkehren zu können, wahrscheinlich nicht so gut. Zum Beispiel im Baugewerbe, in dem Menschen an Baustellen arbeiten, Dächer decken oder Böden verlegen, wäre ein Rollstuhl wenig hilfreich. Dazu kommt, dass viele Arbeitgeber nicht eben sofort und mit Begeisterung Mitarbeiter mit Handicaps einstellen. Zu behaupten, dass direkt nach der Rehabilitation ein Arbeitsplatz auf jeden Rollstuhlfahrer wartet, wäre auf jeden Fall vermessen.
Und doch gibt es etliche Berufe, in denen es nur wenige Anpassungen an die Arbeitsstelle braucht, um einen Mitarbeiter mit einer Behinderung wieder oder neu einzusetzen. Selbstverständlich wären alle diese Berufe auch für Auszubildende oder Quereinsteiger geeignet. Dazu zählen die meisten Schreibtischberufe. Das reicht vom Sachbearbeiter in einem Unternehmen über den technischen Zeichner bis hin zur Geschäftsführung.
Brauchte es vor vielen Jahren noch Pioniergeist, um im Rollstuhl einen guten Schulabschluss zu erreichen, so ist man hier mittlerweile schon einige Schritte weiter. Damit ist die Grundlage für eine Ausbildung oder ein Studium gelegt. Durch die vielen Fernstudiengänge, die von Universitäten und Hochschulen angeboten werden, können Menschen mit eingeschränkter Mobilität sogar in den eigenen vier Wänden lernen. Tatsächlich entscheiden sich junge Rollstuhlfahrer nicht selten für einen höheren Bildungsabschluss.
Sport nicht nur als Ausgleich
Neben der Schule begann Robert Figl schon mit 13 Jahren Sport zu treiben. Er wählte den Rennrollstuhl als Sportgerät und nahm schon drei Jahre später an seinem ersten Rennen teil. 1985 wieder zwei Jahre später stieg er in seine internationale Sportkarriere ein und war in Seoul zum ersten Mal bei den Paralympics dabei. Dort sammelte er gleich vier Goldmedaillen, einmal Silber und einmal Bronze. 2004 in Athen war er sogar bei den Olympischen Spielen dabei. Er wurde eingeladen, an einem Demonstrationswettkampf im Rennrollstuhl über 1.500 Meter teilzunehmen. Figl nutzte die große Kulisse, gewann dort als erster deutscher Athlet die Goldmedaille und machte die Leistungen von Athleten mit Handicap schlagartig in aller Welt bekannt. So sorgte er wie viele seiner Sportkollegen für mehr Anerkennung von Menschen mit Behinderung in der Gesellschaft.
Diese Anerkennung ist wichtig, denn sie verbessert auch die Situation in anderen Bereichen. Und das Beispiel von anderen Handicap-Athleten zeigt eine weitere positive Entwicklung. Langsam gelingt es ihnen, Sponsoren zu finden, um ihren Leistungssport angemessen ausüben zu können. Einige machen dieses Hobby sogar zum Beruf, werden Trainer, bieten Sportlehrgänge in ihrer Disziplin an oder arbeiten Spezialreisen für Rollstuhlfahrer aus. Robert Figl dagegen fand nach Athen nicht mehr genügend Geldgeber und konzentrierte sich stattdessen ganz auf seinen Beruf. Nach 25 Jahren Sportkarriere hatte er neben zahlreichen anderen Siegen 13 paralympische Medaillen gesammelt. Vor über zehn Jahren hat er eine Hautarztpraxis in Karlsruhe übernommen und leitet sie gemeinsam mit seiner Frau, die ebenfalls Ärztin ist.
Anerkennung oder Ablehnung?
Die Sorge, dass er bei seinen Patienten auf Ablehnung stoßen könnte, hatte er nie und hat auch nie entsprechende Erfahrungen gemacht. „Wenn neue Patienten in die Praxis kommen und mich zu ersten Mal sehen, sind sie schon hin und wieder verdutzt“, schmunzelt er. „Doch noch nie hätte jemand sich nicht behandeln lassen wollen auch wenn ich für die meisten meiner Patienten der erste Arzt im Rollstuhl bin.“ Auch für andere Berufsgruppen sieht er da keinen Grund zur Sorge. „Ich hatte erst noch mit einer Banklehre geliebäugelt und auch da hätte ich nicht darüber nachgedacht, wie die Kunden auf einen Berater im Rollstuhl reagiert hätten.“ Er ist sich sicher, dass es nicht darauf ankommt, ob jemand eine Bewegungseinschränkung hat, solange seine Fähigkeiten passen und ein gutes Engagement erkennbar ist. Es wäre schön, wenn Arbeitgeber und Personalentscheider in Unternehmen diese Denkweise auch übernehmen würden.
Der Weg zurück ins Arbeitsleben
In der Realität gilt es hier, noch deutlich Überzeugungsarbeit zu leisten. Denn Arbeitgeber zögern aus verschiedenen Gründen: Sie fürchten, dass Menschen mit Behinderung besondere Arbeitsbedingungen brauchen, dass sie weniger leistungsfähig sind als Nichtbehinderte und dass sie sie nicht wieder kündigen können.
Zum Glück gibt es für Betroffene aber auch Hilfe, die leicht zu finden ist und schon in der Klinik durch die Sozialstationen beginnen kann. Auf der Seite für Menschen mit Behinderungen der Arbeitsagentur gibt es eine Schritt-für-Schritt-Anleitung dafür, wie Menschen nach einem schweren Unfall oder einer Krankheit wieder ins Berufsleben zurückkehren können. Sie empfiehlt, erst in Gesprächen mit Ärzten, Familienmitgliedern oder Freunden, das Geschehen zu verarbeiten und neue Möglichkeiten zu prüfen.
Weiter finden sich auf der Seite Informationen zu Hilfs- und Unterstützungsangeboten. Diese untergliedern sich nach Ausbildung, Weiterbildung und finanziellen Hilfen. Auch Informationen zur Gleichstellung, Rentenversicherung und Vermittlung von Akademikern kann man hier nachlesen. Wichtig ist auch, dass es Links für weitere Kontakte sowie eine Downloadfunktion für Merkblätter und Formulare gibt.
Tatkräftige Unterstützung durch die Agentur für Arbeit
Dann übernimmt die Arbeitsagentur meist über regionale Unternehmen die Betreuung des Rollstuhlfahrers, der Arbeit sucht oder wieder an seinen Arbeitsplatz zurückkehren will. Im Fall des Rückkehrers wird mit dem Arbeitgeber geklärt, wie die Bedingungen vor Ort sind. Für Rollstuhlfahrer muss hauptsächlich der Zugang zum Arbeitsplatz barrierefrei sein und er sollte eine Toilette in ausreichender Größe zur Verfügung haben. Sein Arbeitsplatz sollte ergonomischen Richtlinien entsprechen, was allerdings für nicht behinderte Mitarbeiter auch gilt.
Die Vermittler sind sich der Vorbehalte der Arbeitgeber bewusst und setzen sich vor allem zum Ziel, über Informationen Vertrauen zu schaffen. Durch eine individuelle Beratung wollen sie die Verantwortlichen in den Unternehmen sensibilisieren und auf Fördermöglichkeiten aufmerksam machen. Eine Fördermöglichkeit für längerfristig Arbeitssuchende mit einer Behinderung ist, dass die Arbeitsagentur für eine bestimmte Zeit einen Teil des Gehalts übernimmt.
Staatliche Förderung für schwerbehinderte Arbeitssuchende
Für die Vermittlung neuer Arbeitskräfte mit Handicap läuft die Beratung ähnlich. Hier werden Arbeitsplatzanalysen und Arbeitserprobungen angeboten. Mit dem Arbeitssuchenden werden ein Berufseignungsprofil und Potentialanalysen erstellt. Auf diese Weise kann auch geklärt werden, welche Aus- oder Fortbildung für welchen Suchenden geeignet ist. Betreut werden Betroffene von Fachpersonal mit Erfahrung. Ein weiterer großer Vorteil ist, dass die Agentur für Arbeit und die Anbieter von Betreuungsaufgaben meist gut mit Arbeitgebern in der Region vernetzt sind und über Jahre Vertrauen bei ihnen aufbauen. Gut zu wissen auch: Die Integrationsämter fördern und sichern die Beschäftigung schwerbehinderter Menschen durch finanzielle Förderung, Beratung und Information.
Unser MOBITIPP: So kommen Sie zurück ins Arbeitsleben
- Sprechen Sie mit Ihren Ärzten, der Familie und Freunden, um Geschehenes zu verarbeiten
- Klären Sie ihre neue Situation und Ihre Möglichkeiten
- Versuchen Sie darauf basierend zu überlegen, wie Ihre Zukunft aussehen könnte
- Überlegen Sie, ob Sie wieder in den alten Beruf zurückkehren wollen und können
- Überlegen Sie, welche Ausbildung oder welcher Beruf Ihnen Spaß machen könnte und für Ihre Grundbedingungen geeignet wäre
- Nehmen Sie die Hilfe der Sozialstation in der Klinik an
- Nehmen Sie die von der Klinik gebotenen Programme an
- Nehmen Sie Kontakt zur Arbeitsagentur auf: www.arbeitsagentur.de/menschen-mit-behinderungen