Mütter und Väter wünschen sich zweifellos nur das Beste für ihre Kinder. Sie wollen ihnen helfen, selbstbewusst heranzuwachsen, mit Freunden etwas zu unternehmen, Interessen zu entwickeln und ein möglichst selbstständiges Leben inmitten der Gesellschaft führen zu können. Das gilt natürlich auch und insbesondere, wenn die Kinder mit einer Einschränkung leben.
Der richtige Kinderrollstuhl kann dabei eine Schlüsselrolle im Lebensplan spielen. Wer einmal erlebt hat, wie selbst die Jüngsten strahlen, wenn sie zum ersten Mal in einen Kinderrollstuhl gesetzt werden und sie dabei herausfinden, dass sie sich aus eigener Kraft fortbewegen können, der ahnt, welch spannende neue Welt sich ihnen gerade eröffnet.
Intuitiver Umgang
„Kinder nehmen den Rollstuhl ganz selbstverständlich an“, sagt Jörg Bender, Geschäftsführer von Berollka-aktiv Rollstuhltechnik im baden-württembergischen Sinsheim (www.berollka.de). „Sie wissen intuitiv, wie sie die Greifreifen antreiben müssen und wie sie den Rollstuhl nach rechts oder links steuern können. Es ist eine Freude zu sehen, wie motiviert und abenteuerlustig Kinder mit dem Rollstuhl umgehen.“
Dass Mobilität die Lebensqualität von Menschen erhöht, ist unbestritten. Dabei ist die Frage, wann der richtige Zeitpunkt für den Wechsel vom Kinderwagen oder dem Reha-Buggy in den Kinderrollstuhl ist. Fachleute sagen: Im Prinzip so früh wie möglich, weil die Rolli-Nutzung die frühkindliche Entwicklung immens fördert. Den individuell günstigsten Zeitpunkt legen Ärzte und Therapeuten anhand des Entwicklungsstandes des jeweiligen Kindes fest.
Akzeptanz der Behinderung erforderlich
Doch noch immer sperren sich manche Eltern gegen eine frühe Rollstuhlerstversorgung, so die Erfahrung von Therapeuten und Herstellern, weil Väter und Mütter eine Behinderung ihres Kleinkindes oft nicht wahrhaben wollen. Sie hoffen bewusst oder unbewusst auf medizinische Fortschritte oder setzen darauf, dass sich vorhandene Einschränkungen noch „auswachsen“. Deshalb bevorzugen sie einen Reha-Buggy, denn damit lassen sich körperliche Unterschiede noch gut überspielen. Das hilft bei der Verdrängung noch nicht bewältigter Tatsachen.
Sein Kind in einen Rollstuhl zu setzen, der als das Sinnbild für Behinderung schlechthin gilt, käme hingegen einer Anerkennung der Einschränkung gleich. „Sich als Eltern einzugestehen, ein Kind mit Behinderung zu haben, ist ein ganz elementarer Schritt, der jeden Respekt verdient“, sagt Jörg Bender. Zwar ändere sich das Image des Rollstuhls allmählich. Das Fahrzeug werde zunehmend als positives Hilfsmittel gesehen, das überhaupt erst eine hohe Lebensqualität ermöglicht. „Doch das alte Stigma wirkt noch immer in vielen Köpfen und überdeckt die Chancen, die gerade ein Kinderrollstuhl seinem Nutzer eröffnet.“
Bessere Chancen im Leben
Manche Eltern befürchten auch, der Verantwortung nicht gerecht werden zu können, die ihnen ein lebhaftes, mobiles Kleinkind im Rollstuhl abverlangt. Sie würden deshalb lieber abwarten, bis das Kind etwas älter und vernünftiger ist. Eltern, die sich dem Thema nicht stellen, können ihren Kindern aber nach heutigen Erkenntnissen ungewollt in erheblichem Maße die Chancen auf ein weitgehend selbstständiges Leben verbauen. Denn eine gute frühkindliche Rollstuhlversorgung kann Kindern ein Rüstzeug mitgeben, das sie in späteren Lebensjahren nicht mehr in dieser Form erwerben können.
Kinder gewinnen durch das aufrechte Sitzen und den damit verbundenen großen Bewegungsspielraum sowohl in ihrer körperlichen und geistigen als auch in ihrer sozialen Entwicklung, sagen Fachleute. Durch die körperlichen Herausforderungen beim Rollifahren werden zum Beispiel die Entwicklung der Knochen und der Muskelaufbau gefördert. Auch die Hand-Auge-Koordination entwickelt sich deutlich besser als in einer eher passiven Liegeposition.
Am sozialen Leben teilhaben
Die neuen Reize, die das Kind durch die zunehmende Eigenständigkeit aus der Umwelt aufnimmt, fordern es geistig heraus, darauf angemessen zu reagieren. Das hat positive Auswirkungen auf die Bildung von Vernetzungsstrukturen im Gehirn, die in den ersten Lebensjahren angelegt werden.
Beim Erkunden der Umwelt lernt es nicht nur neue Bewegungsabläufe kennen, sondern auch Entscheidungen zu treffen und Verantwortung für sein Handeln zu übernehmen. Wer trotz elterlicher Warnung über eine Stufe fährt und umkippt, wird nach erfolgreicheren Strategien suchen und sie finden. Auch die Beziehung zu den Geschwistern und Freunden kann sich gleichberechtigter entwickeln, wenn sich das behinderte Kind im geschwisterlichen Miteinander behaupten kann.
Große Auswahl an geeigneten Rollstühlen
Ausgereifte Mikro- und Minirollstühle für Kleinkinder mit schmalen Sitzbreiten ab etwa 18 Zentimetern gibt es inzwischen in großer Bandbreite als Starrrahmen- und als Faltrollstuhl. Manche Rollstühle sind so konstruiert, dass sie in kleinen Zentimeterschritten mitwachsen können. Sie sind dann allerdings oft mit so vielen Stellschrauben versehen, dass der Rollstuhl dadurch etwas schwerer wird. Ob diese Erweiterungsoptionen schon bei einer Erstversorgung sinnvoll sind, sollte individuell geprüft werden. Was Kleinkinder zunächst einmal brauchen, ist vor allem ein leichtgängiger Rollstuhl, damit das Fahren Spaß macht.
Kinderrollstühle gibt es in großer Farbpalette und mit ansprechendem Design, was zur Akzeptanz durch die Kleinen beiträgt. Manche Hersteller bieten auch crashgetestete Varianten, die mit in ein Auto dürfen, ohne dass sich das Kind umsetzen (lassen) muss. Das dürfte in erster Linie für Kinder ab dem Schulalter interessant sein. Bei der Entscheidung, welches Modell aber nun genau bei der Erstversorgung Ihres Kindes das Passende ist, helfen Physiotherapeuten und die Berater im Fachhandel.
Unser MOBITIPP
Wenn Sie bei der gesetzlichen Krankenkasse einen Kinderrollstuhl beantragen wollen, verlieren Sie keine Zeit, stellen Sie den Antrag und bleiben Sie am Ball. Jede Woche, die ins Land geht, zählt für die Entwicklung Ihres Kindes. Lassen Sie sich nicht abwimmeln, wenn die Krankenkasse sagt, Sie hätten doch schon einen Reha-Buggy und benötigten keinen Rollstuhl mehr. Diese Hilfsmittel erfüllen unterschiedliche Aufgaben.