Bianca, heute 47 Jahre alt, erlitt ihren Schlaganfall während eines geselligen Beisammenseins mit Freunden nach einem Karnevalsumzug vor drei Jahren. „Wir waren nachmittags noch zum Karnevalszug unterwegs und hatten dann gesagt, wir lassen den Tag schön ausklingen und haben uns zum Essen verabredet. Und dabei ist es dann passiert,“ erinnert sie sich. Die unmittelbaren Folgen des Schlaganfalls waren verheerend: Ihre komplette linke Körperhälfte war gelähmt, und ihre kognitiven Fähigkeiten waren stark eingeschränkt. Sie konnte sich kaum bewegen und hatte große Schwierigkeiten, sich Dinge zu merken.
In den ersten Monaten nach dem Schlaganfall konnte Bianca keine zwei Schritte ohne Hilfe gehen und erkannte oft nicht einmal Menschen, die sie gerade erst begrüßt hatten. „Hätte ich mich einmal im Kreis gedreht, hätte ich nicht gewusst, dass das die Person ist, die eben ‚Hallo‘ zu mir gesagt hat,“ erzählt sie. Doch Bianca ließ sich nicht entmutigen. Sie arbeitete hart an ihrer Genesung und erreichte durch intensive Rehabilitation bemerkenswerte Fortschritte. Heute kann sie wieder einige Schritte alleine gehen und hat auch ihre kognitiven Fähigkeiten weitgehend zurückgewonnen.
Leben mit Assistenz
Nach ihrer Rehabilitation, die über ein Jahr dauerte und hauptsächlich ambulant durchgeführt wurde, musste Bianca eine neue Lebensform finden. Zunächst lebte sie bei ihrer Schwester, die jedoch Vollzeit arbeitete und nicht dauerhaft für ihre Pflege und Unterstützung sorgen konnte. Es wurde schnell klar, dass eine langfristige Lösung gefunden werden musste. Hier kam die persönliche Assistenz ins Spiel.
Bianca war anfangs skeptisch gegenüber der Idee, Assistenz von Fremden zu erhalten. „Ich war so das Familiäre gewohnt,“ sagt sie. Doch die persönliche Assistenz erwies sich als eine große Hilfe und wurde schnell zu einem festen Bestandteil ihres Lebens. „Assistenz kann auch sehr familiär sein,“ betont sie heute. Die Unterstützung durch die Sozialhummel gGmbH, eine Organisation, die sich um die bürokratischen Aspekte kümmerte, war besonders wertvoll. Sie übernahm die Beantragung von Zuschüssen und die gesamte administrative Arbeit, was eine große Entlastung für Bianca und ihre Familie war.
Der Alltag mit Assistenz
Mit der Hilfe ihrer Assistenten kann Bianca ihren Alltag inzwischen weitgehend selbstbestimmt gestalten. Sie unterstützen sie bei Haushaltsaufgaben wie Putzen, Kochen und Waschen, bei der persönlichen Pflege und bei alltäglichen Besorgungen. „Die Assistenz unterstützt mich komplett im Haushalt, Pflege an mir, und eben meinen Alltag gestalten,“ erklärt Bianca. Diese Unterstützung ermöglicht es ihr, weiterhin aktiv am Leben teilzunehmen und ihre Unabhängigkeit zu bewahren.
Besonders wichtig war es für Bianca, wieder am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Vor ihrem Schlaganfall war sie eine leidenschaftliche Karnevalistin, und diese Leidenschaft wollte sie trotz ihrer Einschränkungen nicht aufgeben. Mit der Motivation und Unterstützung ihrer Assistenten begann sie wieder, Karnevalsveranstaltungen zu besuchen. „Ich habe eine Assistentin, der ich erzählt habe, dass ich den Karneval liebe. Da hat sie mich motiviert und gesagt ‚Komm, wir gehen mal zum Karneval‘,“ erzählt Bianca. Nach anfänglicher Zurückhaltung fand sie schließlich den Mut, wieder an Karnevalssitzungen teilzunehmen, und die Freude und Energie, die sie daraus schöpfte, gaben ihr neuen Lebensmut. „Das hat mir auch ganz viel Kraft gegeben, um in der harten Zeit zu sagen, es geht weiter,“ sagt sie.
Berufliche Wiedereingliederung
Neben ihrer Teilnahme am gesellschaftlichen Leben hat Bianca auch beruflich einen neuen Weg gefunden. Sie arbeitet in einer Werkstatt für Menschen mit Beeinträchtigung, wo sie entweder in der Montage tätig ist oder in der Zentrale arbeitet und dort Anrufe entgegennimmt, E-Mails beantwortet und Therapeuten empfängt. Ihre 40-Stunden-Woche gibt ihrem Alltag Struktur und Sinn. „Meistens macht die Arbeit mir Freude. Wie im normalen Leben ist das nicht jeden Tag so, aber die schlechten Tage lasse ich, genauso wie vor dem Schlaganfall, hinter mir,“ reflektiert sie.
Biancas Familie und Freunde spielen eine zentrale Rolle in ihrem Leben und ihrer Genesung. Sie unterstützen sie emotional und motivieren sie, weiterhin aktiv und positiv zu bleiben. „Meine Kraftquellen sind Familie und Freunde und einfach mein Spaß am Leben,“ sagt sie. Diese Unterstützung hat es ihr ermöglicht, wieder fast wie früher am normalen Leben teilzuhaben und neue Ziele zu erreichen.
Besondere Erlebnisse geben besonders viel Kraft
Ein besonderes Erlebnis für Bianca war ein Urlaub am Meer, organisiert von ihren Freunden und begleitet von ihrer Assistenz. „Ich habe gesagt, ich würde gerne noch mal die Füße ins Meer strecken. Und dann haben die gesagt, das machen wir mit dir,“ erzählt sie begeistert. Es war ein wenig mühsam, Bianca mit dem Rollstuhl durch den Sand bis in die Wellen zu bringen, aber letztlich hat es geklappt. Dieser Ausflug zeigte ihr einmal mehr, dass sie trotz ihrer Einschränkungen noch viele Wünsche und Träume verwirklichen kann.
Biancas Lebensmotto ist einfach und kraftvoll: Niemals aufgeben und immer weitermachen. „Ich wollte mein Leben nie aufgeben. Ich bin ja noch recht jung gewesen. Ich war 44, als der Schlaganfall passiert ist. Und ich stand mit zwei Beinen im Leben. Und das gibt man doch nicht einfach auf,“ betont sie. Ihr unerschütterlicher Wille, wieder dorthin zurückzukehren, wo sie vor dem Schlaganfall war, hat sie stets angetrieben. „Selbst heute, wo ich schon ganz große Schritte gegangen bin, sage ich immer noch: Weitermachen. Es geht noch mehr. Das ist einfach mein Lebensmotto,“ fügt sie hinzu.
Fotos: Bianca Schmitt