In der Frage nach dem Sachstand schwingt für Raúl Aguayo-Krauthausen der Wunsch des Fragestellers mit, dass es eine Art Checkliste gebe, die man abarbeiten und in Prozentzahlen vermelden könnte. Und dass man vielleicht auch mal fertig ist mit der Inklusion, so die Rezensentin. So einfach macht es der Autor seinem Publikum aber nicht. Raúl Aguayo-Krauthausen setzt sich tiefer gehend mit dem Thema auseinander und fordert es dabei auch auf, seinen eigenen Ableismus – die Diskriminierung und Ausgrenzung von Menschen aufgrund ihrer Behinderung oder chronischen Krankheit – zu hinterfragen.
Das mit Martin Kulik als Co-Autor geschriebene Werk gliedert sich in drei Hauptteile: Im ersten Teil geht es um Inklusion, Ableismus und strukturelle Benachteiligung. Der zweite Teil befasst sich mit ungelösten Fragen der Inklusion. Zum Beispiel: Schule all-inklusive?, Faire Arbeit für alle? Behinderte Lust? Im dritten Teil skizziert Raúl Aguayo-Krauthausen seine Idee von dem, „was uns wirklich weiterbringt“ auf dem Weg zu einer neuen, wertschätzenden Alltagskultur, die nicht mal mehr das Etikett „inklusiv” benötigt.
Schon ein Bestseller
So sperrig sich die Einzelpunkte darstellen mögen, so realitätsnah und nachvollziehbar ist das Buch geschrieben. Es macht Hoffnung, dass das bei Rowohlt Mitte März 2023 erschienene Werk innerhalb kürzester Zeit auf Platz 13 der Spiegel-Bestseller-Liste (13/2023) geklettert ist. Denn mithin dürfen dahinter Leserinnen und Leser vermutet werden, denen das Gezerre um die Umsetzung von Inklusion auch auf die Nerven geht und die gern wissen würden, wie man konstruktiv vorankommen könnte. So könnte die „Inklusion” von einer schönen Idee vielleicht doch noch absehbar zur gelebten Norm werden.
Raúl Aguayo-Krauthausen / Martin Kulik: Wer Inklusion will, findet einen Weg. Wer sie nicht will, findet Ausreden. Rowohlt Taschenbuch, 240 Seiten. ISBN: 978-3-499-01029-3. Paperback: 17 Euro