MOBITIPP: Sie sind seit bald 14 Jahren als Sexualbegleiterin tätig. Ist unsere Gesellschaft offener geworden für das Thema Sex und Behinderung?
Catharina König: Im Laufe der Jahre hat sich tatsächlich etwas bewegt. Der Begriff der Sexualbegleitung ist zumindest in den Einrichtungen für Menschen mit Behinderung oder Senioren bekannter geworden. Die Anfragen werden mehr. Trotzdem wirken die Tabus noch stark.
Als Sexualbegleiterin habe ich nicht nur mit dem schwierigen Begriffspaar ‚Behinderung und Sexualität‘ zu tun, sondern auch mit dem Tabu ,gegen Geld‘. Da brauchen Menschen auch heute oft noch viel Information und Zeit, um sich damit auseinanderzusetzen.
Ich spreche häufig in Schulen vor Auszubildenden, zum Beispiel für Heilerziehungspfleger. Zuerst spüre ich Reserviertheit. Nach eineinhalb Stunden sagen sie: ‚Ach, jetzt habe ich verstanden. Das finde ich gut.‘ Das lässt auf weitere Normalisierung hoffen.
MOBITIPP: Welche Menschen kommen zu Ihnen?
Catharina König: Zunächst einmal: Ich komme zu den Menschen – in deren Einrichtung oder zu Hausbesuchen. Dort begegnen wir uns in einem geschützten Raum und vertrauten Umfeld.
Häufig wenden sich Mitarbeiter oder Betreuer aus Einrichtungen für schwerst- und mehrfachbehinderte Menschen oder Senioren an mich. Aber ich arbeite auch mit körperlich eingeschränkten Menschen, die ansonsten noch sehr selbstständig im Leben stehen. Ich ziehe da keine Grenze beim Grad der Behinderung. Ob es passt oder nicht, hängt mehr von den persönlichen Bedürfnissen der Interessenten ab.
MOBITIPP: Um welche Bedürfnisse geht es bei Ihrer Arbeit vorrangig?
Catharina König: Es geht immer um körperliche Bedürfnisse, die aber in eine echte menschliche Begegnung eingebettet sind. Bei manchen Menschen geht es darum, behutsame Angebote zu machen. Wie fühlt es sich an, wenn man die Hand auf das Knie legt? Da passieren oft ganz kleine, feine Dinge – die viele Emotionen auslösen und viel Positives bewirken können.
Manche Menschen, mit denen ich arbeite, sind 40 oder 60 Jahre alt und erleben vielleicht zum ersten Mal, wie es ist, ein Gegenüber für das sexuelle Erleben zu haben.
MOBITIPP: Wie weit reicht das Spektrum der Sexualität, die Sie anbieten?
Catharina König: Bei mir kann man einen Orgasmus erleben. Aber ich biete keinen Geschlechtsverkehr, keinen Oralverkehr und kein Küssen an. Ich spiele keine Rollenspiele, sondern gebe mich so, wie ich bin. Darin sehe ich eine besondere Qualität meiner Arbeit.
MOBITIPP: Viele Menschen mit Querschnittlähmung sind fit, mobil, stehen im Beruf. Welche Bedürfnisse sind diesen Menschen wichtig?
Catharina König: Da geht es weniger um ein Herantasten, als um konkrete Erlebniswünsche. Diese Menschen können sich ja gut ausdrücken und verdeutlichen, wonach sie sich sehnen. Manche wollen einfach mal wieder Nacktheit mit einem Menschen erleben. Weil eine Beziehung in die Brüche gegangen ist oder weil sie von Geburt an behindert sind und noch nie einen Partner hatten.
Wer erst in späteren Lebensjahren nach einem Unfall oder einer Krankheit in den Rollstuhl kam, hat vielleicht noch Partnerschaften gelebt. Diese Menschen wissen, wie sie funktioniert haben und kennen ihre Vorlieben. Aber jetzt erleben sie, dass ihre Sexualität so nicht mehr lebbar ist. Die Frage ist: Wie dann?
Sie möchten sich deshalb gern mit einer neutralen Person ausprobieren. Da hängt ja dann keine Partnerschaft dran, die kaputtgehen könnte, weil neue Vorlieben erst einmal als ungewöhnlich empfunden werden. Gemeinsam können wir zum Beispiel herausfinden, was jetzt gut tut und wie groß der Bewegungsspielraum für sexuelle Handlungen ist.
MOBITIPP: Sie helfen, einen Neuanfang zu machen?
Catharina König: Ja. Im Grunde geht es dann darum, eine neue ,Betriebsanleitung‘ zu schreiben. Selbst wenn Männer noch eine Erektion haben, ist das Empfinden nicht mehr wie zuvor. Aber man kann andere Körperregionen zu erogenen Zonen umprogrammieren.
Einer meiner Klienten lebt seit einem Lkw-Unfall mit einer Querschnittlähmung. Er hatte das Glück, lange Zeit eine Partnerin zu haben, die vieles mit ihm ausprobiert hat. Dieser Mann war in der Lage, seinen Oberkörper in eine erogene Zone zu verwandeln. Er hat ganz tiefe orgiastische Empfindungen erfahren können.
Das ist auch eine attraktive Möglichkeit, Sex zu haben, wenn es uns gelingt, unsere gelernten Bilder vom Ablauf lustvoller Sexualität zu verändern und neue Erfahrungen zuzulassen.
MOBITIPP: Welches Honorar nehmen Sie für Ihre Arbeit?
Catharina König: Eine Stunde kostet 100 Euro plus Fahrkosten. Für einen ersten Termin wünsche ich mir mindestens 90 Minuten Zeit. Wohnt ein Klient weiter von Bochum entfernt, gibt es individuelle Vereinbarungen für die Fahrzeit.
MOBITIPP: Wie findet man eine passende Sexualbegleiterin?
Catharina König: Da gibt es keine festen Kriterien. Der Eindruck, den eine Homepage macht, ist aber schon ein guter Hinweis für die Denk- und Arbeitsweise einer Sexualbegleiterin. Manchmal kann auch eine klassische Sexarbeiterin die richtige Ansprechpartnerin sein. Es kommt halt auf die Wünsche an. Wenn man schon recht sicher ist, dass man die passende Person gefunden hat, wird sicher ein Telefonat bei der endgültigen Entscheidung helfen.
Mehr über Catharina König und ihre Arbeit erfahren Sie auf Ihrer Webseite www.beruehrung.org