Draußen unterwegs: Tipps für sichere und komfortable Touren

Von der Streckenwahl bis zur Brotzeit

Rollstuhlfahrer sind meistens damit vertraut, dass sie selbst alltägliche Unternehmungen wie einen Arztbesuch und den Lebensmitteleinkauf vorher gut planen müssen. Das ist auch bei einer Handbiketour nicht anders, allerdings gibt es einige Besonderheiten zu beachten. Wir haben deshalb erfahrene Handbiker, die schon Tausende von Kilometern hinter sich haben, gefragt: Was sollte man tun? Was sollte man besser lassen? Wie kann man für seine persönliche Sicherheit sorgen? Hier sind ihre Ratschläge.
Zwei ältere Menschen seitlich von unten auf Spezailfahrrädern fotografiert
(c) Shutterstock
Gute Planung ist wichtig

Das Spektrum an Spezialfahrrädern oder Handbikes, um auch mit einer körperlichen Einschränkung mobil zu sein, ist groß. Da das Hilfsmittel – anders als bei Fußgängern – oftmals die Mobilität des Nutzers sicherstellt, sollte er seine Tour gut vorbereiten, um Komplikationen zu vermeiden beziehungsweise ihnen gewappnet zu sein, wenn sie doch auftreten. Viele vorbereitende Maßnahmen gelten für alle Hilfsmittel gleichermaßen, einige sind eher speziell.

Die meisten unserer Tipps beziehen sich auf das Adaptivbike. Aber es sind auch Hinweise für das Liegebike beziehungsweise für das Tourenbike dabei. Selbst für andere Spezialfahrräder sind eine Reihe von Tipps so oder in leicht abgewandelter Form gut anwendbar. In einem Punkt gibt es keine zwei Meinungen: Sicherheit geht vor und kann gar nicht überschätzt werden.

Streckenauswahl

Machen Sie sich mit der Tour gut vertraut, bevor Sie losfahren. Manche Handbiker führen Webseiten oder Blogs, auf denen sie ihre Touren beschreiben und mit Fotos veröffentlichen. Einige tracken die Strecken, die man einfach nachfahren kann, wenn man mit einem entsprechenden Smartphone ausgestattet ist. Lesenswert für Toureninteressierte sind auch die Webseiten www.albert-hirschbichler.vpweb.de/handbike, http://handcycle.bplaced.net und www.das-tetrateam.de.

Manche Tourismuszentralen und Organisationen zum Thema barrierefreies Reisen veröffentlichen ebenfalls Tourenvorschläge in bestimmten Regionen. Wer sich damit befasst, wird feststellen, dass sich hier für Handbikes einiges getan hat. Das gilt auch für das benachbarte Ausland. Die Schweiz hat keineswegs nur bergige Strecken für Fortgeschrittene. Von Österreich schwärmen viele, von Holland und Belgien ebenfalls. Auch in Tschechien haben die Tourismusexperten Handbiker und Rollstuhlfahrer längst als Zielgruppe im Blick und bieten abwechslungsreiche Touren an.

Besonders praktisch sind Rundkurse, zum Beispiel die Fläming-Skate südlich von Berlin. Geeignet und beliebt sind auch See-Rundwege wegen ihres meist flachen Streckenprofils, etwa der Seerundweg um den Starnberger See. Auch ehemalige Bahntrassen, die heute Radwege sind, zeichnen sich manchmal durch längere flache Abschnitte aus.

Gut informieren

Landkarten sind zwar nicht out und wer gern den großen Überblick hat, ist gut beraten, sich aktuelles Material zu kaufen oder aus dem Internet herunterzuladen. Dann sollte man es während der Fahrt aber auch griffbereit haben. Manchmal gibt es im Internet gute Erläuterungen, welche Abschnitte eines Fernradwegs für Handbiker und Rollstuhlfahrer besonders geeignet sind.

Moderner und handlicher sind Fahrradnavigationsgeräte, die man auch als Handbiker nutzen kann. Wer ein entsprechendes Smartphone hat, lädt sich seine Strecke über eine Outdoor-App hoch, zum Beispiel www.komoot.de. Manche Apps sind kostenlos. Wer Zusatzfunktionen wie Sprachnavigation, Offline-Karten, kostenfreie Karten-Updates, Touren-Export für sein GPS-Gerät nutzen will, muss damit rechnen, dass für solche Leistungen Gebühren anfallen.

Allein auf sein Navi sollte man sich ohnehin nicht verlassen. Wenn das Smartphone ausfällt, freut man sich über die gute alte Landkarte!

Wichtige Stationen

Klären Sie vorab: Gibt es zwischen den Etappenorten einen Gepäck- beziehungsweise einen Rollitransport? Wo könnte man unterwegs Getränkenachschub einkaufen? Wo gibt es barrierefreie Gaststätten? Wo Rollstuhl geeignete Übernachtungsmöglichkeiten? Gibt es aktuelle Umleitungen oder Sperrungen? Wo könnte man notfalls mit öffentlichen Verkehrsmitteln, zum Beispiel mit der Bahn, weiter- oder zurückfahren? Neuere Radwege sind so angelegt, dass sie Zu- beziehungsweise Abfahrten schon im Hinblick auf Bahnanschlüsse an der Strecke geplant haben.

Extrapunkt: Rolli-WC

Es macht natürlich Sinn zu recherchieren, wo barrierefreie Sanitäreinrichtungen zu finden sind. Wer sich davon unabhängig machen will, kann sich mit Alternativen wie Dauerkatheder, Einmalkatheder und Einlagen vertraut machen.

Alleine oder in der Gruppe?

An dieser Frage scheiden sich die Geister, schon gar in Zeiten von Corona. Während manche über die Jahre ihr eigenes Fahrtempo gefunden haben und sich am wohlsten fühlen, wenn sie es beibehalten können, legen andere mehr Wert auf das Gemeinschaftserlebnis mit der Familie oder mit Freunden und freuen sich über den gewonnenen Aktionsradius, weil in kritischen Situationen ein Fußgänger einen quer liegenden Ast ohne Weiteres entfernen kann und man dadurch nicht mehr so sehr auf komplette Barrierefreiheit angewiesen ist.

Unser Tipp: Probieren Sie aus, in welcher Konstellation Sie sich am wohlsten fühlen und klären Sie vorab, ob das Leistungsniveau und das Ziel der Tour in die gleiche Richtung gehen. Wenn jemand lieber genüsslich unterwegs sein will und ein anderer eher eine straffe Trainingsfahrt unternehmen will, macht ein gemeinsames Radeln eher wenig Sinn.

Kräfte einteilen

Anfänger können oft nicht gut einschätzen, wie anstrengend eine Tour ist. Vor allem Steigungen kosten Kraft. Manche Steigung kann man mit bloßem Auge noch nicht einmal richtig wahrnehmen, so sanft kann sie verlaufen. Wer sie dann aber über eine längere Strecke von Hand erkurbeln oder manuell antreiben muss, spürt allmählich, wie die Muskulatur erlahmt.

Selbst bei leistungsstarken Zuggeräten mit E-Motor muss man damit rechnen, dass sie naturgemäß im Gelände nicht ganz so spritzig abziehen wie das bei der Probefahrt auf einem Messegelände oder vor der eigenen Haustür der Fall war. Also lieber mit einer kürzeren Strecke anfangen und nach und nach mehr Kilometer obendrauf packen.

Die richtige Bekleidung

Vieles über die richtige Bekleidung erfahren Sie unter dem Punkt „Sichtbarkeit“. Helle Kleidung mit Reflektoren ist unverzichtbar. Die Teile sollten so geschnitten sein, dass sie im Sitzen keine Falten werfen und nicht mit ihren Knöpfen und Reißverschlüssen Druckstellen verursachen können. Gut sind Oberteile mit Ärmeln, die einen Bündchenabschluss haben, damit die Ärmel beim Kurbeln nirgends hängen bleiben.

Sinnvoll ist ein Sonnenschutz für den Kopf, den es nicht so leicht davonwehen kann. Ein guter Regenschutz – eine Jacke oder ein Cape – ist ebenfalls zu empfehlen. Bei einem ordentlichen Guss von oben dringt das Wasser meistens trotzdem durch. Aber er leistet als Windschutz gute Dienste und hält das mit Regen oft einhergehende Schmutzwasser beim Fahren ab.

Was muss ins Gepäck?

Wichtig sind ausreichend Getränke und ein paar Snacks. Wer nicht genug Flüssigkeit zu sich nimmt, hält nicht lange durch. Geht der Vorrat unterwegs zur Neige, rechtzeitig für Nachschub sorgen! Sonnenbrille und Sonnencreme sind unverzichtbar. Das Kartenmaterial darf nicht fehlen und ein aufgeladenes (!) Smartphone mit den wichtigsten Telefonnummern.

Eine Werkzeugtasche mit Flickzeug und evtl. einem passenden Mantel und etwas Spezialwerkzeug, falls erforderlich, können manche Weiterfahrt ermöglichen. Ein gutes Schloss für das Adaptivbike und Handschuhe, mit denen Sie sich manuell im Rollstuhl bewegen können, nicht vergessen! Ein Medi-Kit mit Pflaster, einer Kompresse und einer kleinen Schere kann wertvolle Dienste leisten.

Wohin mit dem Fahrrad oder Zuggerät in den Pausen?

Beim Einkehren in einen Biergarten oder in ein Café spielt das Adaptivbike seine Vorteile aus: Man kann es einfach abkoppeln und mit einem guten Schloss wie ein Fahrrad sichern. Da es schon allein vom Gewicht her nicht so einfach mitzunehmen ist, ist die Gefahr eines Diebstahls nicht höher als bei einem guten Fahrrad einzuschätzen. Das ist zwar statistisch nicht belegt, aber naheliegend. Ein angekettetes Zuggerät ist zudem ein Hingucker, den auch andere Gäste sicher im Blick haben, sodass ein Diebstahl kaum unbemerkt bleiben dürfte. Gepäck hält man ohnehin am besten immer körpernah bei sich.

Brotzeit lieber klein und fein

Wichtig ist vor allem, ausreichend zu trinken. Unterwegs empfehlen sich kleine Snacks. Weil die Verdauung großer Mahlzeiten den Körper belastet, sollten sie erst bei der Ankunft am Zielort verspeist werden.

Druckstellen vermeiden

Das Handbike selbst kann schon Auslöser für Druckstellen sein. Lassen Sie es deshalb schon beim Kauf sorgfältig an Ihre Haltung anpassen. Achten Sie bewusst darauf, ob sich Ihre Beine während der Fahrt am Rahmen oder an Schraubenköpfen scheuern können.

Entscheiden Sie sich für ein Sitzkissen, das Ihren Anforderungen gewachsen ist. Wer auf große Fahrt gehen will, kommt mit einem billigen Schaumstoffkissen nicht aus. Unterschenkelschienen aus Plastik schützen die Beine. Auch Gamaschen aus festem Leinen sind ein guter Schutz.

Widerstehen Sie unterwegs der Versuchung, sich ohne gutes Sitzkissen zu anderen Gästen auf eine harte Bierbank oder auf einen Stuhl umzusetzen und wenn es nur für eine halbe Stunde ist. Die Gefahr, eine Druckstelle zu bekommen, ist einfach groß.

Sicherheit

Die Sicherheit beim Handbikefahren ist ein überaus wichtiges und ernstes Thema, denn immer wieder verunglücken Handbiker im Straßenverkehr, auch mit tödlichem Ausgang. Deshalb ist es wichtig, der Sicherheit Vorrang vor allen anderen Aspekten einzuräumen und sich klar zu machen, dass das Gefühl von persönlicher Sicherheit auch trügerisch sein kann. Denn nicht alles liegt in der eigenen Hand. Deshalb ist es wichtig, immer vorausschauend zu fahren und auch auf seinen Hausstrecken nie in den Routinemodus zu verfallen.

Jeder Handbiker kann von Begegnungen mit sorglosen und leichtsinnigen Fahrern berichten: Mancher saß ohne Helm und sogar ohne Schuhe im Sportgerät, andere verzichteten auf Reflektoren und setzten ganz auf helle Kleidung oder hörten Musik während der Fahrt, ohne zu bedenken, dass akustische Signale wie Hupen oder Sirenen von Rettungsfahrzeugen nicht überhört werden dürfen.

Es hilft, sich in die Lage von Autofahrern zu versetzen. Denn selbst Radwege sind nicht immer komplett autofrei, sondern führen auf Teilstrecken oft durch den normalen Straßenverkehr. Handbiker, vor allem im Liegebike, sitzen so tief und sind so kompakt, dass Autofahrer sie häufig erst spät bewusst wahrnehmen. Oft unterschätzen sie auch die Geschwindigkeit, die Handbikes erreichen können.

Im Spätsommer zum Beispiel steht das Getreide auf dem Land so hoch, dass Autofahrer die flach sitzenden Handbiker buchstäblich erst auf den letzten Metern sehen können, vor allem beim Einbiegen von einer Seitenstraße auf die Hauptstraße. Das gilt natürlich auch in der Stadt, wenn die Hecken üppig gewachsen sind. Auch die Dämmerung birgt Gefahren: Jeder Autofahrer weiß, wie schlecht man in dunkle Farben gekleidete Verkehrsteilnehmer sehen kann.

Sich sichtbar machen

Der beste Schutz neben dem vorausschauenden Fahren ist, sich als Verkehrsteilnehmer sichtbar zu machen. Das fängt schon beim Handbike an: Zwei hohe aufragende Flaggen vorn und hinten in unterschiedlichen Leuchtfarben signalisieren von Weitem, dass ein Fahrzeug unterwegs ist. Reflektoren in unterschiedlichen Farben vorn, hinten und von der Seite deuten die Umrisse an. Es gibt Reifen mit Leuchtringen und Speichen mit Reflektoren. Auch am Helm sollte man Strahler anbringen.

Manche Handbiker tragen gelbe oder orange Warnwesten mit Reflektoren, die schon für ganz kleines Geld erhältlich sind. Aus dem Stoff solcher Westen mit ihren Reflektoren kann man sich auch Wimpel anfertigen, günstig und gut sichtbar.

Spätestens bei Einbruch der Dämmerung gilt: Licht an. Manche Handbiker fahren aber auch ständig mit Licht, weil sich die Lichtverhältnisse gerade in der Natur durch Bäume oder bei einer Fahrt durch einen Tunnel sekundenschnell ändern können und man dann schon gut gerüstet ist.

Reflektoren entlang am Handbikerahmen deuten die Umrisse des Fahrzeugs an. Da man aber von den Autofahrern nicht immer gesehen wird, wenn man auf der Fahrt beispielsweise in einer Bodenwelle verschwindet, ist es wichtig, auch am höchstmöglichen Punkt Licht anzubringen: Hilfreich ist eine Stirnlampe. Zusätzlich kann man einen Strahler per Clip hinten am Helm befestigen. Dann erscheint man gut im Sichtfeld der Autofahrer.

Ansonsten noch eine Regel für Handbiker im Straßenverkehr: Verzichten Sie der Sicherheit zuliebe auch mal auf Ihr Recht. Gemeint ist, nicht jede Vorfahrt in Anspruch zu nehmen, wenn ein Auto naht. Lieber mal einem Fahrzeug den Vorrang lassen und sicher weiterfahren.

 

Unser MOBITIPP:

Wenn Sie unsicher sind, ob Handbiken das Richtige für Sie ist oder wenn Sie Fragen zum Umgang mit dem Sportgerät haben, schauen Sie im Internet, ob sich in Ihrer Nähe Handbiker treffen. Das könnte zum Beispiel auf Veranstaltungen in einem Sanitätshaus der Fall sein oder in einem Sportverein. Sie werden ganz sicher nett aufgenommen und mit den gewünschten Auskünften versorgt.

 

Mit Dank

für ihren Input für diesen Beitrag an Veit Riffer, Vico Merklein, Markolf Neuske, Marc Schenkel, Frank Wirth, Rudolf Queri (RIP), Christian Bernhard und Peter Czornyj.

(Text: Brigitte Muschiol)

Zwei ältere Menschen seitlich von unten auf Spezailfahrrädern fotografiert
Gute Planung ist wichtig
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