Acht Audi R8 glänzen neben der Strecke in der Sonne, röhrende Motoren sind zu hören und schwarzer Reifenabrieb ist auf dem Asphalt zu sehen: Das alles fühlt sich verlockend nach Autorennen, Adrenalin und spannendem Wettkampf an. Doch weit gefehlt! Hier und heute steht die Sicherheit im Vordergrund. Immer wieder ermahnt Audi-Instruktor Ludwig Fetz die Teilnehmer während der Einweisung zum Fahrtraining zu umsichtigem Verhalten. Es ist selten, dass auf dem Gelände des Audi Motorsportzentrums in Neuburg an der Donau etwas passiert, auch wenn die Autos und ihre Fahrer immer wieder an ihre Grenzen gebracht werden. Alles ist gut kalkuliert und unzählige Male ausprobiert worden. Ludwig Fetz und sein Team wissen genau, was sie tun.
Doch auch für die erfahrenen Instruktoren ist dieser Termin etwas Besonderes. Normalerweise stellen die Teilnehmer ihre eigenen Fahrzeuge vor dem Testgelände ab und nutzen werkseigene Autos. Das ist heute vielfach nicht möglich, weil die meisten Teilnehmer aufgrund einer Behinderung eine individuelle Anpassung in ihrem Fahrzeug benötigen, um überhaupt am Straßenverkehr teilnehmen zu können. Haben sonst alle Fahrzeuge mehr oder weniger dieselbe Ausstattung und damit dieselben Voraussetzungen, stehen heute vom Kompaktwagen mit knapp über 100 PS bis zum Boliden mit röhrenden 400 PS sehr unterschiedliche Fahrzeuge bereit – natürlich alle von Audi.
Mut sammeln für eine Vollbremsung
Ebenso bunt gemischt wie die Fahrzeuge ist auch das Teilnehmerfeld. Die gesamte deutsche Rollstuhl-Basketball-Nationalmannschaft ist gekommen und auch einige Testimonials von Audi wie die Paralympics-Sieger Gerd Schönfelder, Vico Merklein und Michael Teuber sind vor Ort. Hinzu kommen Audifahrer, die ein individuell angepasstes Fahrzeug haben, das nicht älter als sechs Jahre ist und die von ihrem Autohaus auf das Event aufmerksam gemacht worden sind. Ein guter Tipp, denn dieses normalerweise kostenpflichtige Fahrtraining ist von Audi gesponsert. Insgesamt 24 Teilnehmer kann Bernhard Karl, der den Verkauf von umgebauten Fahrzeugen für Menschen mit Behinderung bei Audi leitet, in Neuburg bei Ingolstadt begrüßen.
Auf der 30.000 Quadratmeter großen Dynamikfläche geht’s dann gleich zur Sache: Vollbremsung steht auf dem Programm. Nur wenige Teilnehmer trauen sich schon beim ersten Mal, Vollgas zu geben und am Bremspunkt des vorbereiteten Hütchenparcours voll in die Eisen zu gehen, um dann dem Hindernis auszuweichen. Erst nach und nach werden die Fahrer mutiger, die Motoren lauter und einige Hütchen fliegen durch die Luft. „Es erfordert ohnehin Mut, eine kontrollierte Vollbremsung durchzuführen“, erläutert einer der Instruktoren, „aber mit nur einer Hand am Lenkrad ist es eine besondere Herausforderung.“
Intuition ist nicht immer der beste Ratgeber
Derweil versucht die zweite Gruppe, ihre Fahrzeuge trotz Untersteuerung bei einer engen Kurvenfahrt unter Kontrolle zu halten. Weil auf der Dynamikfläche der Boden ständig feucht gehalten wird, sieht das gefährlich danach aus, als würden die Autos jeden Moment ausbrechen oder gar umkippen. Tatsächlich passiert es nur selten, dass ein Fahrzeug sich dreht; an diesem Tag bleiben alle in der Spur. Auch bei dieser Übung sind nicht nur höchste Konzentration gefragt, sondern auch Körperkontrolle und Feingefühl. „Wir neigen dazu, uns in schwierigen Situationen genau falsch zu verhalten. Wenn wir das wissen, können wir es abstellen“, sagt Ludwig Fetz.
Nach der Mittagspause stehen noch Slalomfahrten auf der Dynamikfläche auf dem Programm und schließlich sechs Runden auf dem Handling-Parcour. Doch wer gehofft hatte, auf der vermeintlichen Rennstrecke endlich so richtig aufdrehen zu können, wird enttäuscht. Auch hier geht es nicht um Geschwindigkeit, sondern darum, die Ideallinie sauber und sicher zu beherrschen. In Kolonnen von je fünf Fahrzeugen fahren die Teilnehmer hinter einem Instruktor her und schauen sich genau an, wie der es macht.
Mehr Sicherheit in schwierigen Situationen
Am Ende des Tages sind alle Teilnehmer sich einig: Der Tag war anstrengend, aber sehr lehrreich. Durch das Training haben sie ihre Fahrzeuge sowie ihre eigenen Fähigkeiten und Möglichkeiten neu kennengelernt. „Gerade wenn man eine Handbedienung oder einen anderen Umbau benötigt, ist es gut, wenn man weiß, dass man sein Fahrzeug auch in schwierigen Situationen sicher beherrscht“, stellt ein Teilnehmer fest. Auch Bernhard Karl ist mit dem Tag zufrieden: „Es ist immer wieder beeindruckend, wie selbstverständlich sich Menschen mit Handicap den Herausforderungen auf unserem Testparcours stellen und wie bravourös sie sie meistern.“ In diesem Sinne hofft er, dass es das Handicaptraining noch ein paar Jahre geben wird – zumindest bis die Autos ganz alleine fahren.