MOBITIPP: Jérôme, warum hast Du Paare mit einem behinderten Partner in intimen Momenten fotografiert?
Jérôme Deya: Alle Menschen sollten das Recht haben zu fühlen, Gefühle zu erleben und zu lieben. Dies entspricht aber noch nicht der Lebenswirklichkeit aller Menschen. In unseren Gesellschaften ist das Image, das Bild, das man abgibt, so wichtig, dass wir dem kaum entkommen. Körper, die „anders“ sind, stören dann häufig die „normalen“ Menschen; sie sind unbequem. Deshalb wird Behinderung oft versteckt und die Sexualität von Menschen mit Behinderung tabuisiert.
Das geschieht aber auch, weil Menschen mit guten Absichten – in der Familie, in Organisationen oder auch alle anderen Menschen – noch allzu oft der Auffassung sind, dass Menschen mit Behinderung nicht unbedingt Zugang zur Sexualität haben müssten. Sie bilden die Mehrheit in der Gesellschaft und legen die Grenzen fest. Sie bestimmen, was für wen akzeptiert ist, was erlaubt ist und was nicht. So kann aus dem Blick der Gesellschaft auf Behinderung Diskriminierung erwachsen.
Meine Fotoserie soll eine Ode an diejenigen Körper sein, die manchen veranlassen mag, seinen Blick abzuwenden oder die einfach weiterhin versteckt bleiben. An die Körper, die wie alle anderen, ihre Sinnlichkeit, ihre Gefühle im Namen einer Ode an die Liebe ausdrücken. Etwas, das wir alle fühlen, unabhängig vom Aussehen, persönlichem Hintergrund oder einer Behinderung.
MOBITIPP: Warum haben die Paare sich fotografieren lassen?
Jérôme Deya: Die Entscheidung, sich fotografieren zu lassen, ist nicht immer einfach, aber wir verfechten eine gemeinsame Idee. Nämlich Sexualität als das zu zeigen, was sie ist: ein lebenswichtiges Element eines erfüllten Lebens. Und das gilt natürlich auch für Menschen mit Behinderung.
MOBITIPP: Welche Resonanz gab es auf Deine Ausstellung?
Jérôme Deya: Es gab zwar auch einzelne Besucher, die allein schon den Gedanken an nicht perfekte Körper und Sexualität ablehnten. Doch die weit überwiegende Mehrheit hat beim Betrachten der Fotos erkannt, dass die Gefühle und Empfindungen mit ihren eigenen übereinstimmen. So tragen die Fotos dazu bei, Vorurteile abzubauen und vor allem die Distanz aufzuheben, die der Besucher zu denen, die vermeintlich „anders“ sind, aufgebaut hat.
Trotz aller Tabus haben schon mehr als 10.000 Menschen meine Ausstellungen besucht und aus vielen Gesprächen weiß ich, dass sie einen tiefen Eindruck hinterlässt. Ich wäre wirklich gespannt, wie die Menschen in Deutschland auf die Fotoausstellung reagieren würden.
Die nächste Ausstellung findet vom 28. bis 30. Juni 2018 im Rahmen des Festivals „Ma sexualité n’est pas un handicap“ in Paris statt.
Mehr über die Arbeit von Jérôme Deya: www.jeromedeya.com
Hier können Sie für „A mon corps dérangeant“ auf dem Laufenden bleiben: https://www.facebook.com/A-mon-corps-dérangeant-150282622050729/
Organisationen und Unternehmen, die die Ausstellung in Deutschland zeigen möchten, können gern per E-Mail Kontakt aufnehmen: contact@jeromedeya.com
Das gilt auch für Paare mit Behinderung, die bereit sind, sich zum Thema der Ausstellung fotografieren zu lassen.