Roman Zechmeister: Rollstuhl-Yoga gegen „Lungenpatschen“

Der Österreicher hat sich als Lehrer, Kursleiter und Behandler dem Kundalini-Yoga verschrieben.

Yoga eroberte von Indien aus die ganze Welt. Roman Zechmeister kam nach seinem schweren Autounfall 2007, der zu einer hohen Querschnittlähmung führte (C6/C7), mit dem Kundalini-Yoga in Berührung. In den Bewegungen und Atemübungen entdeckte der 37-jährige Wiener für sich viel Wohltuendes und Heilendes. Er machte es zu seinem Lebensweg. MOBITIPP sprach mit Yoga Wheelz, so sein Yogi-Name, warum Kundalini-Yoga sich so gut für Rollstuhlfahrer eignet und was es in der Zeit der Pandemie bringen kann.
Mann im rollstuhl bei einer Yoga-Übung
© privat
Yoga für Rollstuhlfahrer

MOBITIPP: Herr Zechmeister, wie haben Sie Yoga kennengelernt?

Roman Zechmeister: Sechs Jahre nach meinem Unfall, also 2013, war ich mit meiner Freundin und jetzigen Frau in Asien unterwegs. In Kambodscha habe ich eine englische Yoga-Lehrerin kennengelernt. Sie unterrichtete Kundalini-Yoga, das auch im Westen weit verbreitet ist. Schon nach der ersten Stunde war ich mir sicher, dass das mein Ding ist.

MOBITIPP: Was ist das Besondere an Kundalini-Yoga?

Roman Zechmeister: Es gilt als Yoga des Bewusstseins. Dabei spielt der Atem eine bedeutende Rolle. Die Atemtechnik, das bewusste Spüren des Atems. Damit kann man vieles positiv beeinflussen.

MOBITIPP: War Yoga eine komplett neue Erfahrung für Sie?

Roman Zechmeister: Ich habe schon lange zuvor Visualisierungsmeditationen praktiziert. Vor dem Unfall und noch intensiver danach. Dabei habe ich mir vorgestellt, wie es war, als ich noch zu Fuß gehen konnte. Ich sah mich auf einen Berg gehen, über eine Wiese, über Steine. Für diese Meditationen gibt es tolle Anleitungen. Das meiste lief jedoch intuitiv ab. In Bezug auf die körperliche Behinderung hatte ich durch diese Erfahrungen einen tieferen Einstieg ins Yoga. Vorerfahrungen sind aber keine Voraussetzung.

MOBITIPP: Sie nutzen einen Rollstuhl. Warum ist Kundalini-Yoga so geeignet für Rollstuhlfahrer?

Roman Zechmeister: Beim Kundalini-Yoga spielen dynamische Bewegungen und Atemübungen, sogenannte Pranayamas, eine große Rolle. Bei anderen Yogarichtungen nimmt man verschiedene Körperpositionen, die Asanas, ein. Viel passiert im Stehen. Im Kundalini-Yoga dagegen gibt es viele Dreh- und Armbewegungen. Da kommt man schon gut mit dem Oberkörper zurecht.

Auch als Lehrer hat man im Kundalini-Yoga eine andere Aufgabe, die mir als Rollstuhlfahrer sehr entgegenkommt. Es geht nicht darum, bei den Schülern körpernah die Haltung der eingenommenen Positionen zu korrigieren. Als Lehrer hält man vorn den Raum im Blick und leitet mündlich an.

MOBITIPP: Mit welchen körperlichen Einschränkungen kann man Kundalini-Yoga machen?

Roman Zechmeister: Das Kundalini-Yoga, das ich unterrichte, ist für alle Menschen mit körperlichen Einschränkungen geeignet. Voraussetzung ist, dass die Atmung ohne Atemgerät funktioniert. Ansonsten kann jeder Mensch mitmachen – ob Querschnitt, Längsschnitt, Polio, mit Spastiken. Wenn zum Beispiel nach einer Amputation ein Körperteil fehlt, kann man dieses visualisieren. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass es sehr wichtig für das Gehirn ist, den fehlenden Körperteil wahrzunehmen. Er ist ja noch im Energiefeld vorhanden. Seine Wahrnehmung hilft dem gesamten Körperfluss.

MOBITIPP: Was hat Ihnen Kundalini-Yoga persönlich gebracht?

Roman Zechmeister: Ich habe keine Rumpffunktion mehr und bin beim Sitzen auf eine Lehne angewiesen. Durch die Übungen kann ich meine Wirbelsäule deutlich besser aufrichten. Mein Atemfluss und mein Lungenvolumen haben sich verbessert. Es ist ja naheliegend, dass die Energie bei einer schönen, aufrechten Sitzhaltung besser fließen kann als bei einer gekrümmten Sitzposition.

Eine verbesserte Aufrichtung und Atmung sind die spürbarsten Fortschritte, die durch ein regelmäßiges Üben erzielt werden können. Damit beugt man den gefürchteten „Lungenpatschen“ vor, ein Lungeninfarkt, der zu gefährlicher Atemnot führt. Das Zwerchfell ist ja bei den meisten Querschnitten eingeschränkt. Man bekommt einfach weniger Luft, kann aber etwas dagegen tun.

MOBITIPP: Kann Kundalini-Yoga auch in der Zeit der Pandemie helfen?

Roman Zechmeister: Das Coronavirus greift die Lunge an. Atemtraining kann vorbeugend dazu beitragen, die Lunge zu kräftigen. Je mehr Luft ich zur Verfügung habe, desto größer ist das Lungenvolumen und desto weniger schnell kann es zu Atemnot kommen. Kundalini-Yoga hilft auch vorbeugend gegen Depressionen, indem es die mentale Stärke fördert. Die Übungen fühlen sich gut an, man nimmt sich bewusst wahr und tut sich Gutes. Das hat enorme Wirkung auf das Wohlbefinden.

MOBITIPP: Profitieren auch Menschen davon, die nicht im Rollstuhl, sondern viele Stunden auf dem Bürostuhl sitzen?

Roman Zechmeister: Ja, Yoga ist auch im Büro wichtig. Deshalb biete ich im Herbst eine zertifizierte Weiterbildung für Yogalehrer, Physiotherapeuten und andere Therapeuten in Gesundheitsberufen an. Sie steht unter der Überschrift „Yoga für Menschen im Rollstuhl / am Stuhl”. Die Termine gebe ich zum Beispiel auf meiner Facebook-Seite bekannt. Man kann mich aber auch jederzeit per E-Mail anschreiben.

MOBITIPP: Welche Rolle spielt die Entspannung?

Roman Zechmeister: Entspannung ist ein ganz wichtiges Thema. Meditation und Körperübungen aktivieren Körperprozesse, die heilend wirken können. Das funktioniert im Sitzen und Liegen, auch bei ganz schweren Behinderungen. Da biete ich zum Beispiel geführte einstündige Entspannungsreisen an. Ich selbst kann mich zum Beispiel ab Brusthöhe abwärts nicht bewegen. Meiner Erfahrung nach ist es trotzdem wichtig, sich durch Übungen als körperliche Einheit wahrzunehmen.

MOBITIPP: Was ist der Unterschied zwischen einer Einzelstunde und einer Teilnahme an einem Gruppenkurs?

Roman Zechmeister: Bei einer Einzelstunde kann ich tiefer auf die Person eingehen, mich individuell auf die Behinderung einstellen und eigene, angepasste Übungen kreieren. Die Erfolgserlebnisse sind meist größer, weil man nicht so oft an gruppenbedingte Grenzen stößt, sondern seinen persönlichen Spielraum durch individuelle Entdeckungen erweitern kann. Das habe ich häufig selbst so erlebt. Bei meinen Weiterbildungen spürte ich immer, dass da noch etwas geht: mehr oder Neues. Das ist beglückend und macht mich neugierig, was ich noch aus mir herauskitzeln kann.

MOBITIPP: Man lernt bei Yoga nie aus?

Roman Zechmeister: Yoga ist ein Lebensweg. Das heißt, man geht immer weiter, wird immer besser und lässt die Übungen mitwachsen. Die Erweiterung ist grenzenlos. Es gibt so viele Möglichkeiten, mit Yoga zu wachsen. Von Körperübungen über Atemübungen bis zu Entspannungen. Diese Vielfalt ist für Menschen mit Behinderungen wertvoll, weil sie dadurch das Richtige für sich finden können. Je ruhiger und entspannter man ist, desto eher können Heilungsprozesse im Körper angestoßen werden.

 

So könnt Ihr den Kontakt zu Roman Zechmeister, alias Yoga Wheelz, aufnehmen:

Facebook-Seite: https://www.facebook.com/yoga.wheelz.7

E-Mail: yogawheelz@gmail.com

 

Mitmach-Videos findet Ihr auf dem Youtube-Kanal von Yoga Wheelz: https://www.youtube.com/channel/UCj839YsDnHb01hyLEXF3-fQ

(Text: Julia Wagner)

Mann im rollstuhl bei einer Yoga-Übung
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