MOBITIPP: Herr Kreiter, Sie sind Gründungsmitglied der NatKo, die heute „Tourismus für alle Deutschland e.V.“ heißt und Sie waren viele Jahre Ansprechpartner in der Arbeitsgemeinschaft Urlaub der Fördergemeinschaft für Querschnittgelähmte e.V. FGQ. Was machen Sie heute?
Johann Kreiter: Ich berate Touristiker. Zum Beispiel arbeite ich mit Reisebüros Angebote aus und erkunde als Scout neue Strecken. Zu meinen Kunden gehören auch Hoteliers und Destinationen, die beim Thema Barrierefreiheit etwas voranbringen wollen.
Ich werde zum Beispiel dazu gerufen, wenn es um Verbesserungen der Infrastruktur oder um Gebäuderenovierungen geht. Dann schaue ich mir Baupläne an und mache Vorschläge, wie man mehr Barrierefreiheit erreichen kann und wie man sich generell besser für Menschen mit Behinderung aufstellen könnte. Bei diesen Projekten geht es meist um ganze Ortschaften und Regionen. Manchmal begleite ich die Umsetzung. Oft sind es langfristige Projekte.
MOBITIPP: Müssen Sie dazu viel reisen?
Johann Kreiter: Reisen gehört dazu, zumal ich auch internationale Kontakte habe, vor allem nach Italien. Dort führt Roberto Vitali, Gründer von „Village for All“ italienweit Erhebungen zur Barrierefreiheit von touristischen Zielen durch. Das Erhebungssystem ist unbürokratisch, und bringt Informationen genau auf den Punkt. Es ist selbst vom Tourismusministerium anerkannt.
Zum Teil werden von Objekten Grundrisse und Fotos angefertigt. Der Prüfer gibt die Informationen vom Gesamtgebäude – zum Beispiel vom Parkplatz bis zum Hotel und bis in die Sanitärräume in sein iPad ein, sendet sie an den Provider. Der gibt sie am Computer in die Datenbank ein. Innerhalb kürzester Zeit wird ein Gesamtprofil von dem betreffenden Objekt erstellt. Schon wenige Tage danach ist es für einen Interessenten auffindbar.
MOBITIPP: Wie lautet Ihr wichtigster Reisetipp?
Johann Kreiter: Machen Sie sich frei von der Vorstellung, dass es irgendwo auf der Welt so sein kann, wie zu Hause! Bereiten Sie sich akribisch auf eine Reise vor und öffnen Sie sich für Neues. Darin liegt ja auch der Reiz des Reisens: sich anders zu erleben als zu Hause. Flexibler zu sein als man dachte. Weil einen die Umstände dazu zwingen. Reisen macht erfinderisch.
MOBITIPP: Ein Beispiel bitte!
Johann Kreiter: Viele Hotelzimmer sind heute mit hohen Boxspringbetten ausgestattet. Da tue ich mich beim Umsetzen vom Rollstuhl ins Bett schwer. Weil kein anderes Zimmer zur Verfügung stand, habe ich mir in einem Fall einen Haken und ein Seil gekauft. Den Haken habe ich an der gegenüberliegenden Bettseite befestigt und mich am Seil hochgezogen. Natürlich muss man auf das Mobiliar aufpassen, aber die Aktion ging problemlos vonstatten.
MOBITIPP: Kann man sich gut als Rollstuhlfahrer in Europa bewegen?
Johann Kreiter: Ich finde schon. Das Problem ist eher, im Internet an gute Informationen heranzukommen. Die Webseiten und Suchsysteme sind teilweise chaotisch aufgebaut. Es kann sein, dass man auf einer Länderseite nichts zum barrierefreien Tourismus findet. Aber wenn man das Land und das Stichwort „barrierefrei“ in eine Suchmaschine eingibt, erhält man unter Umständen ganz viele Treffer, die auf der Länderseite nicht auftauchen.
Selbst in Deutschland sind viele Angebote regelrecht versteckt. Dann kommt dazu, dass manche Webseiten zum Beispiel barrierefreie Hotels ausweisen. Beim Draufklicken kommt eine Liste mit Hotels. Rufe ich die Hotelseiten auf, finde ich nichts über Barrierefreiheit. Das ist mühsam, zeitraubend, ärgerlich.
MOBITIPP: Skandinavien gilt als vorbildliches Reiseland.
Johann Kreiter: Ich kann da auch nur von guten Erfahrungen berichten. Dänemark macht sehr viel. Da findet man auch barrierefreie Strandhäuser. Im letzten Winter war ich in Finnland und angenehm überrascht. Zum Beispiel ist es in Helsinki kein Problem, ein Rollstuhltaxi zu bekommen. Die S-Bahnen sind barrierefrei. Die Hotels bieten sehr großzügige barrierefreie Ausstattungen. Wenn man sich außerhalb der Hauptstadt bewegen will, findet man viele Informationen für Rollstuhlfahrer.
MOBITIPP: Welche Erfahrungen haben Sie mit anderen europäischen Ländern?
Johann Kreiter: Mit England habe ich nur wenig Erfahrungen. Ich habe die Insel zwar schon besucht, bin aber eher ein Schönwetter-Mensch. Bekannte, ebenfalls Menschen mit Behinderung, berichten aber Positives von der Barrierefreiheit.
In Frankreich kann ich allen Paris ans Herz legen. Die Stadt hat Flair und ist in den Touristenvierteln häufig barrierefrei. Für Menschen mit Behinderung gibt es eine informative Broschüre für die öffentlichen Verkehrsmittel. Weil alles gut bebildert ist, braucht man keine Französischkenntnisse.
Spanien hat viel für Barrierefreiheit getan, allen voran natürlich Mallorca. Portugal mit Lissabon und der Algarve bietet wunderschöne barrierefreie Museen und eines der größten Aquarien Europas, das komplett barrierefrei ist. Allerdings liegt die Stadt recht hügelig. Das ist schon eine Herausforderung.
MOBITIPP: Wie bereiten Sie sich auf Ihre Reisen vor?
Johann Kreiter: Akribische Vorbereitung ist zu empfehlen. Ich kann inzwischen häufig schon beim Betrachten der Hotelwebseiten sagen, ob ich mit einem bestimmten Zimmer zurechtkommen würde. Für eine Thailandreise habe ich auch schon mal nur den Hinflug und das Hotel in Bangkok gebucht und den Rest vor Ort gemacht. Wer wenig Reiseerfahrung hat und häufig Hilfe braucht, sollte sich gut informieren – und trotzdem flexibel bleiben.
MOBITIPP: Vorbereitung steigert die Vorfreude, oder?
Johann Kreiter: Je mehr man sich zusammengetrickselt hat, desto mehr steigt die Freude.
MOBITIPP: Sie reisen viel allein?
Johann Kreiter: Ja, ich bin nicht so der Gruppenmensch. Ich nehme auch lange Flugreisen in Kauf, vor denen viele Rollstuhlfahrer zurückschrecken würden.
MOBITIPP: Sind Sie jetzt gerade auch mit einer Reise beschäftigt?
Johann Kreiter: Gerade plane ich eine mehrwöchige Thailandreise.
MOBITIPP: Dann wünschen wir Ihnen gute Erholung!